Das Schuljahr neigt sich dem Ende entgegen (zumindest in Bayern) und die Rechnerei geht in meinen Klassen los. Ab und an schnappe ich Gespräche auf, wie spekuliert wird, ob man in dem ein oder anderen Fach durchfällt und somit die Versetzung gefährdet ist. Die eine Note wisse man noch nicht. Also wenn es eine 4 ist, dann stehe man auf einer 4,4. Das wird knapp!
So, oder so ähnlich laufen diese leisen Gespräche zwischen den Schülern ab. Was ich dabei heraushöre, ist die Angst der Kinder und Teenager. Es ist eine vielschichtige Angst.
Drei Ängste bei schlechten Noten
- Die Angst vor den Eltern: Was werden sie sagen, wenn ich eine 5 habe oder sitzenbleibe? Die schlimmste Reaktion der Eltern wäre für die Kinder nicht, wie man meinen würde, das Ausrasten oder das Schimpfen, sondern das Enttäuscht sein.
- Die Angst vor dem Lehrer: Was denkt er nun von mir? Er hält mich sicher für dumm und ist enttäuscht von mir.
- Die Angst vor den Mitschülern: Ich bin der Schlechteste in der Klasse. Meine Freunde gucken mitleidig. Ich habe Angst, ob ich in der neuen Klasse, falls ich sitzen bleibe, Freude finde. Ich bin ein Versager. Ich bin enttäuscht von mir.
Angst vor schlechten Noten: Enttäuschung
Wie ihr seht, ist die Enttäuschung ein zentrales Thema bei Kindern, die schlechte Noten bekommen haben. Die Reaktionen ihres Umfeldes bestimmen, wie sich das Kind weiterentwickelt.
Ich sehe es täglich, weil es Teil meiner Arbeit ist. Die Enttäuschung über sich selbst und die Angst vor dem enttäuschten Umfeld belastet die Kinder psychisch so sehr, dass sogar körperliche Symptome erkennbar sind.
Angst vor schlechten Noten: Lob un Wertschätzung
Eins müssen wir uns immer wieder vor Augen halten: Kinder und Teenager sind „süchtig“ nach Anerkennung, wie ich es mir immer als Mantra vorsage. Süchtig ist jetzt nicht das treffende Wort, aber so sage ich es mir immer selbst. Was ich damit meine ist, dass sie von unserer Anerkennung abhängig sind. Sind wir enttäuscht, fühlen sie sich wertlos und handeln auch so, als wären sie und ihr Leben nichts wert. Geben wir den Kindern Anerkennung, Lob und Hilfe, dann fühlen sie sich wertgeschätzt und behandeln sich und ihr Leben auch wertschätzend. So einfach und banal ist diese Gleichung.
Sehe ich ein Kind, dass sich in der Schule aufgegeben hat, dann muss ich nicht lange nach der Ursache suchen. Ich finde sie immer und stets bei der Enttäuschung der Eltern.
Angst vor schlechten Noten: Was tun?
Wie soll man also reagieren, wenn das Kind mit einer schlechten Note nach Hause kommt. Nun, das Kind ist von sich selbst schon enttäuscht genug. Ihr habt gemeinsam tagelang gelernt und dann muss es nach Hause gehen und Mama oder Papa enttäuschen, weil es dumm ist. Genau das sind die Gedanken deines Kindes.
Hat ein Schüler in meinem Unterricht eine schlechte Note in einem Test bekommen, dann sage ich allen immer das Gleiche: Das ist nur eine Zahl auf irgendeinem Papier. Das sagt nichts über dich und deinen Wert als Menschen aus. (In dem Moment sagt fast jeder Schüler leise: Doch!) Du bist ein wundervoller Mensch, freundlich, rücksichtvoll, witzig, begabt in… (Stelle die positiven Eigenschaften deines Kindes heraus.) Diese Zahl (Note) zeigt nichts als eine Momentaufnahme. Sie sagt dir, wie viel du von dem Gelernten aufgeschrieben hast, sonst nichts. Ich verstehe, wenn du traurig oder enttäuscht bist, aber ich bin nicht enttäuscht von dir. Ich sehe dich immer noch als begabten und wundervollen Menschen. Diese Note ändert daran gar nichts. Jetzt packe den Test erstmal weg und mache heute irgendetwas, was dir guttut.
Angst vor schlechten Noten: Sei eine Hilfe für dein Kind
Geht ein Eis essen, kuschelt auf dem Sofa und seht euch einen Film an. Tut etwas Positives und Morgen schaut ihr euch gemeinsam mit etwas Abstand ganz analytisch den Test an. Vermeide Sätze wie: Warum hast du das denn nicht gewusst?
Frage lieber: Wenn du den Test nochmal schreiben würdest, was würdest du anders machen? Gib Tipps zum besseren Lernen. Sei deinem Kind eine Hilfe und kein Richter oder Kritiker.